Reformierte Kirche Bühler

Dienstag, 21.01.2020

Neulich im Altersheim

Bibelstunde im Altersheim. Nachdem das erste Lied gesungen ist, lehnt sich die alte Frau zurück. „Ach, diese Paul Gerhardt Lieder sind einfach wunderbar“, sagt sie. Ihre Kolleginnen klappen die Gesangbücher zu, legen sie auf den Tisch. Sie selbst braucht weder Text noch Noten. Sie kann diese Lieder inwendig. Einmal gelernt, tausendmal gesungen, mit Tränen gereinigt: Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt / der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. / Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, / der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

Mit seinen Gedichten hat Paul Gerhardt unzähligen Menschen eine Sprache gegeben, in der sie ihre eigenen Lebens- und Glaubenserfahrungen wieder gefunden haben. Er ist einer der Riesen, auf dessen Schultern wir stehen. In seine Texte tragen wir unseren Glauben ein, unsere Wünsche und Hoffnungen.

Vor über 400 Jahren wurde Paul Gerhardt geboren. Sein Leben war geprägt durch den 30jährigen Krieg und schwerste persönliche Katastrophen. Er musste vier seiner fünf Kinder begraben und verlor kurz darauf seine Frau. Trotz all dem hat er Worte gefunden und Spuren hinterlassen, denen wir auch heute gerne folgen: Geh aus mein Herz und suche Freud, Ich steh an deiner Krippe hier, Die güldene Sonne, Nun ruhen alle Wälder, Ist Gott für mich so trete gleich alles wider mich, Sollt ich meinem Gott nicht singen... 27 seiner Lieder stehen in unserem Gesangbuch. So viele, wie von niemandem sonst.

Wenn wir heute seine Lieder singen, stellen wir uns in eine lange Reihe von Menschen, die sie vor uns gesungen haben. Wir singen die Lieder unserer Toten. Sie haben sie uns vorgewärmt, so Fulbert Steffensky. Und wir singen auch die Lieder unserer Kinder. Durch unser Singen bereiten wir den Boden dafür, dass auch unsere Söhne und Töchter, die Generationen nach uns, sich in ihnen bergen können. Wir singen ihnen vor, geben weiter, was uns selbst trägt.

Weihnachten entdecke ich: Ich steh an deiner Krippe hier. Da heißt es: Da ich noch nicht geboren war, / da bist du mir geboren / und hast mich dir zu eigen gar, / eh ich dich kannt, erkoren. / Eh ich durch deine Hand gemacht, / da hast du schon bei dir bedacht, / wie du mein wollest werden.

Ich sehe dich mit Freuden an / und kann mich nicht satt sehen; / und weil ich nun nichts weiter kann, / bleib ich anbetend stehen. / O dass mein Sinn ein Abgrund wär / und meine Seel ein weites Meer, / dass ich dich möchte fassen!

Lars Syring

Pfarrer in Bühler