Freitag, 26.04.2019
Neulich mal wieder im Luftschutzkeller
Unser Luftschutzkeller im Kirchgemeindehaus wird umgenutzt. Der Raum, der Schutz im Kriegsfall bieten soll, in dem früher mein Schlagzeug stand und das Kirchgemeindearchiv, wird zur Minikirche. Während der Umbauphase unserer Kirche finden dort regelmässige Gebete und Meditationen statt. Und manchmal auch einfach Nichts.
Beim Ausräumen blieb mein Blick an meinem Velo hängen. Das Vorderrad hat im Winter einen Plattfuss bekommen. Beim Versuch, es wieder aufzupumpen wurde schnell klar: Da ist ein Loch im Schlauch. Direkt am Ventil.
Als ich so an dem Rad kniete, kam mir ein Gedanke: Ich habe manchmal den Eindruck, als würde ich wie bei so einem Rad immer aussen auf der Felge herum laufen. Von Speiche zu Speiche eilen. In ziemlicher Hektik. Immer aussen vor. Immer unterwegs. Und ständig unter Strom. Und dann auch noch wie durch einen Schlauch hindurch.
Was, wenn ich nicht aussen auf der Felge liefe, sondern den Weg in die Mitte wagen würde? Den Weg ins Zentrum. Also umkehren würde. Von der Felge weg hin zur Nabe. Hinein in die Mitte. Dorthin, wo ich Kraft bekomme. Denn da geht alles bedeutend langsamer. Da ist der Abstand auch kürzer zu den Menschen um mich herum. Zu den Aufgaben, die mir anvertraut sind. Auch der Weg zu mir selbst. Und der Weg zu Gott sowieso.
Dort, in der Mitte, verschieben sich die Massstäbe der Welt. Ein Menschenleben wird nicht nach äusserem Schein gemessen. Es kommt nicht darauf an, den höchsten Turm zu bauen. Wer seinen Frieden mit Gott gemacht hat, hat alles erreicht, was er oder sie erreichen kann. Muss sich nicht mehr den Wert seines Lebens erkämpfen. Sondern hat ihn schon. Kann das Leben als Geschenk auffassen. Ein Geschenk, das ein fröhliches Herz macht. Blöd nur, dass mir diese Gedanken immer erst kommen, wenn die Luft schon draussen ist und ich auf den Felgen laufe. Sei‘s drum. Der Frühling ist da. Das Velo wartet, inzwischen geflickt, auf neue Einsätze. Und der Luftschutzkeller wird zu einem Ort, der mich nach Innen führt. Zu meiner Mitte. Und zu Gott. Er bietet Schutz vor dem Alltagskrieg und dem Burnout. Der Luftschutzkeller wird ein Luftkurort. Wer hätte das gedacht?
Lars Syring
Pfarrer in Bühler