Freitag, 18.03.2022
Das war ein Donnerstag
Was war das für ein schöner Donnerstagnachmittag. Endlich wieder ein Seniorennachmittag ohne Coronaauflagen. Die Landfrauen hatten ein wunderbares Kuchenbuffet gezaubert. Vorher gab es herzwärmende Musik von den Enderlin Chicks. Dazu gute Gespräche und Kaffee. Dankbar und gut gelaunt bin ich nach Hause gegangen. Und zu Hause hatte ich die andere Seite des Lebens vor Augen. Vormittags hatte ich mit unseren Gästen aus der Ukraine darüber gesprochen, was sie noch brauchen würden. Ich dachte an Lebensmittel, Kleidung. Sie hatten einen anderen Wunsch. Einen Helm für ihren Sohn, der jetzt die Heimat verteidigt. Er hat keinen Schutzhelm!
Ich habe versucht, einen Helm zu organisieren. Dachte in meiner Naivität, dass das nicht so schwierig sein könnte. War es dann aber doch. Die Helme der Schweizer Armee sind Kriegsgüter und werden nicht an Nichtarmeeangehörige abgegeben - und dürfen schon gar nicht ausgeführt werden. Genauso wie Schutzjacken. Dass ich nicht einfach so Waffen kaufen kann, war mir klar. Aber Schutzkleidung? Der nette Mann vom ArmyLiqShop in St. Gallen hat mir den Tipp gegeben, ich solle nach alten Modellen Ausschau halten. Nach dem Friedensgebet am Mittwochabend habe ich in die Runde gefragt und rasch einen alten Helm bekommen. Vielen Dank! Unsere Gäste haben gestrahlt, als ich ihn am Donnerstagmorgen abgegeben habe. Jetzt brauchen sie noch eine Notfallapotheke für ihn. Darum kümmere ich mich morgen.
Das ist alles so verrückt. Wir leben unseren Alltag weiter. Und nachdem wir für den Frieden in der Welt gebetet haben, bin ich auf der Suche nach einem Helm. Plötzlich wird es konkret. Nah. Ich sehe die Augen der Menschen vor mir. Manchmal halte ich diese Spannung kaum aus. Ich bin entsetzt, was sich Menschen gegenseitig antun. Was kann denn so wichtig sein, dass dafür so ein unfassbares Leid angerichtet werden muss? Nie wieder Krieg, haben uns die Alten gesagt.
Donnerstagabend war ich auf Konfbesuch. Den Jugendlichen hätte ich eine andere Jugend gewünscht. Erst zwei Jahre Corona. Und jetzt die Drohkulisse des dritten Weltkriegs. Ich bin dankbar, dass sie das nicht so empfinden wie ich. Dass sie frohen Mutes ihren Weg unter die Füsse nehmen. Ein Konfirmand hat im Konfaufsatz beschrieben, was ihn leben lässt: „Der Glaube an Gott ist der Glaube an etwas, das uns im Leben hilft, wenn wir nicht weiterwissen, und führt durch unser Leben. Eine Energie, die uns ständig umgibt, die uns Kraft gibt, wenn es uns nicht gut geht. An diese Kraft, die uns umgibt, glaube ich von ganzem Herzen und möchte mich in meinem Leben darauf verlassen können, dass ich nie ganz alleine bin, sondern mich mit Fragen und Unsicherheiten an ,meinen’ Gott wenden kann. Dass er tief in meinem Herzen und in meiner Seele auf mich wartet.“
Danke für deine Worte. Sie lassen mich hoffen.
Lars Syring
Pfarrer in Bühler