Reformierte Kirche Bühler

Montag, 09.12.2019

Kirche - Weil ich dich liebe

Finden Sie die Kirche auch schön? Ich meine jetzt nicht nur die Kirche in Bühler, die nach der Innenrenovation strahlt. Ich meine die Kirche als Kirche. Also als Gemeinschaft der Heiligen. Auch als Verwaltungsapparat. Gefällt sie Ihnen?

Gut. Sicher. Sie haben Recht. Das ist eine komische Frage. Wie sollen Sie darauf antworten? Vielleicht ist Ihnen trotzdem spontan ein Gedanke durch den Kopf geschossen. Ich erzähle Ihnen, wie es mir mit Kirche geht. Ich liebe die Kirche.

Dabei erinnere ich mich an meinen Seelsorgeprofessor, der eines Tages eine Vorlesung zum Thema „Liebe“ mit denkwürdigen Worten begann: „Die Person, die ich am meisten liebe“, sagte er, „ist meine Frau.“ Dann machte er eine Pause. „Und die Person, über die ich mich am meisten ärgere, ist auch meine Frau.“ Ich bin mir nicht mehr sicher. Vielleicht hat er sogar„die ich am meisten hasse“ gesagt. Diesen Zwiespalt könne nur die Liebe aushalten, meinte er. Manchmal sind beide Gefühle sogar gleichzeitig da.

Seine Worten haben mir damals Angst gemacht. Weil ich mir noch kein realistisches Bild der Liebe machen konnte. Oder wollte. Ich war damals frisch verliebt und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich meine Freundin auch mit anderen Augen sehen könnte.

Inzwischen habe ich dazu gelernt. Kenne die Liebe jetzt besser. Und, ja, ich liebe die Kirche. Ich finde Kirche wirklich toll. Überall, wo ich bisher war auf dieser Welt, waren schon Christenmenschen vor mir da und haben eine Kirche gebaut. Ich bin willkommen. Wo auch immer ich bin, gehöre ich zu einer Gemeinschaft von Menschen, die diesem Jesus seinen Gott glauben und ihm hinterher vertrauen.

Ich bin in der Kirche gross geworden, habe mich seit der Konfirmationszeit engagiert. Habe Menschen getroffen, die mich gefördert und gefordert haben. Habe Leitungserfahrungen gesammelt. Und dann auch mehr und mehr die geistlichen Schätze kennen gelernt, die uns anvertraut sind. Ich weiss um die Kraft des Segens. Ich erlebe, wie mich das Abendmahl verändert und mir hilft, die Zwiespältigkeiten in mir drin zu akzeptieren. Ich habe erfahren, dass mich mein Vertrauen nachts wärmt. Dass mein Glaube mich frei macht. Ich habe das Recht, ein anderer zu werden. Und werde die Liebe noch besser kennen lernen.

Kirche hat mich aber auch schon masslos enttäuscht. Und verletzt. Vor allem die Funktionäre, die dem Obdachlosen aus Nazareth in Anzug und Krawatte folgen. Sei’s drum. Niemand ist perfekt. Sie kennen die Geschichte vom Splitter und vom Balken.

Manchmal ärgere ich mich auch über Entscheidungen, die wir getroffen haben, ich nehme mich da gar nicht aus. Vieles, was ich früher mal vehement verteidigt habe, sehe ich inzwischen mit anderen Augen. Wir verändern uns. Und Kirche verändert sich auch.

Am schlimmsten finde ich das ewige Gejammere. Irgendwo ist immer ein Haar in der Suppe. Irgendeinen Grund zur schlechten Laune gibt es immer. Diese Untergangsstimmung lähmt. Dabei haben wir doch gerade in unserer grossartigen Landeskirche im AppenzellerInnenland alle Möglichkeiten, neues auszuprobieren.

Sicher. Kirche ist nicht perfekt. Ich bin es auch nicht. Paulus erinnert mich, dass wir den Schatz in irdenen Gefässen haben (2Kor 4, 7). Die Gefässe sind brüchig. Der Schatz ist es nicht. Er bleibt Schatz auch ohne Gefäss. Kirche ist eines der Gefässe. Und das Gejammere zersetzt das Gefäss. Das geistliche Gesetz gilt: Worauf ich mich konzentriere, das wird stärker.

Deshalb versuche ich es anders: Ich freue mich über das, was uns anvertraut ist. Ich lobe überschwänglich. Und wenn ich meine, etwas oder jemanden kritisieren zu müssen, dann direkt und liebevoll. Ohne zu verletzen. Ohne Stimmung zu machen. Ich rede nicht über Leute, die nicht da sind. Und ich begrenze das Suhlen in der eigenen Befindlichkeit.

Ich liebe Kirche. Und Sie?

Lars Syring