Reformierte Kirche Bühler

Mittwoch, 05.11.2014

Neulich am Bach

Als ich neulich so vor mich hin ging, sah ich einen Jungen, der in einem kleinen Bach spielte. Er versuchte, das Wasser mit Steinen zu stauen. Legte Stein um Stein. Grosse, kleine. Der Junge nahm, was er fand. Und das Wasser wich aus, suchte sich einen neuen Weg. Der Junge legte nach. Mit grosser Ausdauer. Und irgendwann hatte er es tatsächlich fast geschafft: Das Wasser war so gut wie gestaut. Der kleine Bachlauf unterteil in ein davor und ein danach. Nur noch ein winziges Rinnsal konnte sich seinen Weg bahnen. Der Junge stand zufrieden vor seinem Bauwerk. Er strahlte, die Hände in die Hüften gestemmt.

Ich war beeindruckt. Und während ich da so stand, entdecke ich ein Bild: Der Fluss, so dachte ich mir, ist unsere Lebensenergie. Sie sprudelt aus der Quelle, die in uns ist, und will über uns hinaus fliessen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Quelle verstopft ist. Dass sie nicht mehr fliesst. Irgendetwas hindert sie. Und wir werden weniger lebendig, kraftloser und mutloser. So wie der Bach mit der Staumauer. Und im Laufe der Zeit müssen wir immer mehr Energie aufwenden, um die Mauer aufrecht zu erhalten.

Wer packt da die Steine in unseren Fluss? Wer verstopft die Quelle? Ich fürchte, wir sind es selbst. Wir bauen unseren Staudamm mit den Steinen selbst. Und diese Steine sind unsere negativen Gedanken. „Das schaffst du eh nicht.“ „Du bist ein Versager.“ „Was sollen denn die Leute denken?“ „Anständige Menschen tun so etwas nicht.“ „Da musst du jetzt durch…“

Jeder dieser Sätze ist ein Stein in unserem Damm, der unsere Lebensenergie staut. Und nur wir selbst sind dafür verantwortlich, dass diese Steine da liegen. Wir können die Menschen, von denen wir diese Sätze gehört haben, nicht dafür verantwortlich machen. Wir haben diese Sätze als Steine in unseren Staudamm gebaut. Und nur wir selbst können sie auch wieder heraus nehmen.

Während ich so vor mich hin dachte, nahm der Junge einen Stein aus seiner Staumauer heraus. Das Wasser floss sofort durch die entstandene Lücke. Der Bach konnte zurück in sein Bett fliessen.

Wie bekommen wir die Steine aus unserem Staudamm? Es genügt, wenn wir einen Stein nach dem anderen wegräumen. Das Fliessen beginnt mit dem ersten Stein. Und ein erster Schritt wird darin bestehen, anzuerkennen, dass wir selbst diesen Staudamm gebaut haben. Niemand sonst. Und wir können in jedem Augenblick unseres Lebens selbst entscheiden, ob wir den Staudamm weiterbauen wollen oder ihn abtragen.

Wer wirklich seinen Staudamm abbauen möchte, kommt mit Dankbarkeit weiter. Wofür bist Du dankbar? Kommst du auf 5 Punkte, für die Du dankbar bist? Solche Dankbarkeit verändert die Perspektive. Der Fokus wandert vom Mangel zur Fülle. Wohl auch deshalb heisst es in den Psalmen: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er Dir gutes getan hat.“

Lars Syring

Pfarrer in Bühler