Reformierte Kirche Bühler

Sonntag, 07.03.2021

Neulich auf der Hohen Buche

Ich bin einmal gefragt worden, was für mich der schönste Ort im Appenzellerland sei. Ich musste nicht lange überlegen. Die Hohe Buche. Das ist doch klar. Auf der einen Seite der Bodensee und auf der anderen der Alpstein. Toll. Und Lisbeth und Emil zaubern mir eine Currywurst mit Pommes. Herz, was willst du mehr?

Am Mittwoch habe ich dort mit Nicole, unserer Vikarin, ein neues Gottesdienstvideo gedreht. (Das erscheint am 13.3. auf meinem youtube-Kanal.) Nachdem einige Wanderer interessiert geguckt und nachgefragt hatten, was wir denn da machen, einige sogar auf Englisch, konnten wir uns unserem Dreh widmen. Nicole erzählte vom Sehen, der Aussicht und der Sehhilfe, die irgendwann nötig werden kann. Ich hatte während der Aufnahme eher Mühe mit dem Sehen. Ich konnte auf dem Monitor nicht richtig erkennen, ob die Schärfe auf dem richtigen Punkt lag. Die Sonne stand tief. Das war zwar tolles Licht, blendete aber.

Umso besser klappte das Hören. Ich hatte meine Kopfhörer auf den Ohren und habe nur das gehört, was das Mikrofon eingesammelt hat. Mein Mikrofon ist empfindlich und so hörte ich neben Nicoles Stimme auch eine Motorsäge, Kinderlachen und zufriedene Kühe. Gelegentlich ein Flugzeug.

Später dann, nach getaner Arbeit, erzählte Lisbeth, dass jetzt die Zeit sei, in der man die Bäume rauschen hört. Ich war irritiert. Bisher kannte ich das Rauschen der Bäume nur, wenn sich die Blätter im Wind bewegen. Sie meinte aber etwas anderes. Sie meinte das Rauschen des Wassers, das jetzt in die Bäume schiesst. Wenn es ganz still ist, ist das Geräusch mit blossem Ohr zu hören. Ansonsten hilft ein Stethoskop. Der Baum pumpt das Wasser bis in die entlegensten Zweige. Ok. Er pumpt nicht. Es sind die Kapillarkräfte in den dünnen Wasserleitern, die das Wasser hochtreiben. Bei Buchen immerhin einen Meter in der Stunde. So erwacht der Baum am Ende des Winters wieder zum Leben.

Ich habe damals auf die Frage nach dem schönsten Ort im Appenzellerland noch einen zweiten angefügt. Das ist mein Platz im Chor unserer reformierten Kirche. Spannenderweise höre ich es da auch manchmal rauschen. Auch da gerät einiges ins Fliessen. Bis in die entlegensten Winkel nicht nur des Raumes, sondern auch der Körper der Menschen, die da sind. Wie sehr sich die Menschen in der Kirche ihrer Kapillarkräfte bewusst sind, spielt keine Rolle. Der Baum weiss vermutlich auch nicht viel davon. Es sind die Segenskräfte Gottes, die da wirken. Die ausgetrocknete Leiber erfüllen, die die Kräfte wecken und zum Leben anstiften. Das ist schon schön hier.

Lars Syring